Die Umstellung von Upgrades auf das Abo will mir grad nicht mehr aus dem Kopf. Dabei frage ich mich immer wieder neu, worin die heftigen Widerstände (auch bei mir persönlich) gegen das Mietmodell begründet liegen.
Laut Adobe gibt es bereits immerhin 500.000 Creative-Cloud-Abonnements mit einer wöchentlichen Zusatzrate von 12.000 (Quelle:
Nur noch Cloud: Adobe verabschiedet sich vom Softwareverkauf ).
Vermutlich ist der Erfolg in den USA größer als in Europa.
Die Diskussion erinnert mich an ein sozialkritisches Buch aus den 70ern von Erich Fromm: "Haben oder Sein". Man könnte bei den Box-Liebhabern demgemäß eine Haben-Orientierung und bei den Cloud-Offenen eine Seins-Orientierung unterstellen. Was geht uns Boxern verloren, wenn wir das Paket nicht mehr im zweijährigen Rhythmus kaufen und *haben* können, sondern stets aktuell mit Verbesserungen unterstützt werden? Ich denke, es hängt u.a. auch mit der Sorge um die Verlässlichkeit der Neuerungen und deren Unbestimmtheit zusammen (dazu unten mehr).
Daneben spukt mir ein vor Jahren einprägsamer Werbeslogan im Kopf rum: "Leben Sie. Wir kümmern uns um die Details." Analog könnte man Adobes Hinwendung zum Cloud-Modell etwa in dem Spruch "Seid kreativ. Wir begleiten Sie mit der Fortentwicklung der Technik" ausdrücken. Das hat durchaus etwas Entlastendes. Wenn es denn nur ausreichend Gründe für die Zuversicht hinsichtlich einer stabilen Entwicklung gäbe. Oft haben sich in der Vergangenheit Neuerungen als der Feind des Alten entpuppt (Spaltenspanne, unterteilte Spalten versus Fußnoten; unkalkulierbar sich leerende Textrahmen).
Im Alltag akzeptieren wir bei vielen Leistungen, die wir in Anspruch nehmen, das Miet- oder Abomodell für die garantierte Nutzung, ohne dass wir damit die Erwartung einer Leistungssteigerung verbinden.
Angefangen beim Wohnen, der Flatrate beim Telefonieren, Internetzugang, Fitnessstudio, Gemüsebelieferung hin zur Tageszeitung und Fachzeitschriften.
Beim Wohnen gibt es immerhin die Alternative Kauf und monatliche Ratenzahlungen von Zins und Tilgung an die Bank – mit der Aussicht, am Ende etwas zu haben (es bleibt ein Gegenwert in Form der Immobilie) – oder Miete (man lebt, ist – flüchtig, erhält aber keinen bleibenden Gegenstand).
Die Kosten allein dürften kein alles entscheidender Grund für die Widerstände gegen das Miet-Modell sein. Die Abogebühr entspricht in etwa den Kosten eines Upgrades während eines Zyklus auf die Monate heruntergerechnet – abgesehen davon, dass die tatsächliche Nutzung eines Upgrades in der Regel vermutlich deutlich über den Upgradezyklus hinausgeht (was widerum mit einem Entgegenkommen des Lieferanten zusammenhängt, dass mit einer Lizenz auch ältere Versionen noch betrieben werden können). Auf den Tag heruntergerechnet sind die Kosten im Hinblick auf den Wert, der durch die Arbeit mit diesem Werkzeug geschaffen werden kann, verschwindend gering.
Möglicherweise liegen die Widerstände auch in den eingeprägten Gewohnheiten begründet, von welchem man nicht so leicht lassen kann – und schon gar nicht unter Zwang. Der Kauf eines Upgrades – für Profis meist unerlässlich – hatte immerhin den Charakter einer gewissen Freiwilligkeit: nach Prüfung der neuen Leistungsmerkmale kann ich mich aus eigenen Stücken für den Kauf und die Inanspruchnahme der neuen Leistungsmerkmale entscheiden.
Die Upgrademöglichkeit im 1,5-2 jährigen Zyklus hatte immerhin auch ein bißchen was von Weihnachten: Was wird mir beim nächsten Datum beschert. Das verwässert beim Mietmodell. Alle Tage Weihnachten ist weniger attraktiv, als wenn das Ereignis in größeren Zyklen knapp gehalten ist und die Spanne zwischen Begehren und Befriedigung über einen größeren Zeitraum aufrecht erhalten wird.
Ausgaben für Software (Erstkauf und Upgrades) sind bisher stets mit der Erwartung einer konkreten Leistungssteigerung verbunden, nicht nur mit der Erwartung, die Anwendung, den Betrieb funktionierend aufrechtzuerhalten. Beim Kauf-Modell war es möglich, sich von dieser Leistungssteigerung vor der Bezahlung zu überzeugen. Beim Miet-Modell ist dieser Leistungszuwachs zwar irgendwie versprochen aber nicht garantiert – schon gar nicht dort, wo es ein Einzelner für sich am ehesten wünscht.
Und wenn der laufende Betrieb ohne Leistungssteigerung am Ende ebenso viel kostet wie bisher ein Upgrade mit höheren Leistungsmerkmalen, dann will die Rechnung nicht so recht aufgehen.
Ein anderer Aspekt liegt in Verunsicherungen hinsichtlich der Betriebssicherheit begründet. Werden die verwendeten, teilweise unabkömmlichen Plugins (wie z.B. für die Silbentrennung) jedes Update uneingeschränkt mitmachen und jederzeit einsetzbar sein? Wenn bei der Herstellung eines Buchs von der Ersteinrichtung bis zum Druck ein halbes oder ein dreiviertel Jahr vergeht, kann ich mich dann noch darauf verlassen, dass der Umbruch trotz aller möglichen Updates bis zum Ende erhalten bleibt?
Was ist mit dem Datenbestand, der mit einer älteren Version der CC erstellt wurde, wenn er nach Jahren überarbeitet und nachgedruckt werden soll? Heute öffne ich CS3-Dateien einfach in InDesign CS3, CS4-Dateien in InDesign CS4 und kann mir relativ sicher sein, dass der Umbruch dort so bleibt, wie er war.
Möglicherweise ist dieses Risiko aber auch wieder nicht sooo groß, weil hinsichtlich der druckrelevanten Funktionen gar nicht mehr mit so vielen Änderungen/Erweiterungen zu rechnen ist.
Obwohl der Schnitt nun vollzogen ist und das Upgrade-Modell tot, bleiben immerhin grob geschätzt mindestens 2-3 Jahre, in welchen man sich an die neuen Gegebenheiten gewöhnen und nach Erfahrungen von aktualisierungs- und risikofreudigeren Kollegen Ausschau halten kann, um seine eigene Entscheidung zu finden. Derzeit überwiegen meine Bedenken. Und ich bin verunsichert.
Aber im Austausch, z.B. im Forum, werden wir die Sicherheit und den Mut für die Wahl unserer Werkzeuge wieder finden. ;-)
Viele Grüße
Martin