Die Demo der neuen Illustrator-Version kann man seit ein paar Tagen von der internationalen Adobe-Site laden. Der Download ist leider erst nach kundenunfreundlicher Registrierung möglich.
Ich arbeite seit vielen Jahren mit dem illustrator, musste dann zwangsläufig teilweise zu Freehand wechseln, da der Illu massive Probleme mit komplexen Illustrationen und der Performance hatte (und immer noch hat). Da Adobe den Illu präferiert, war ich auf die nach-der-Macromedia-Übernahme-Version sehr gespannt. Hier meine ersten Eindrücke:
Download
Unnötig kompliziert. Das Image ist etwa ein GByte groß. Das ist 'ne Menge für ein Vektorgrafikprogramm.
Man muss sich beim Download und auch beim Kauf für eine Sprachversion entscheiden; die von Apple bereits vor sieben Jahren eingeführten multilingualen Programme sind bei Adobe noch nicht bekannt. Darüber hinaus verlangt Adobe unterschiedliche Preise je nach Sprache.
Im Image befindet sich ein Installer; das von Apple eingeführte Prinzip des übersichtlichen Programm-Bundles nutzt Adobe leider nicht.
Der Installer verlangt nach dem Adminstrator-Passwort.
Er fordert auf, alle Internet-Browser zu schließen. Macht man das nicht, ist eine Installation nicht möglich.
Der Installer ist anscheinend eine Eigenlösung von Adobe; er erinnert nur fern an die in der Apple-Umgebung gewohnten Programme.
Die Installation dauerte sehr lange (geschätzt 20 Min.). Ich nahm schon an, dass er abgestürzt ist, habe ihn einfach weiterlaufen lassen (und mich derweil mit iCalamus beschäftigt.)
Nach der Installation findet man auf der Platte mengenweise neue Ordner an den unterschiedlichsten Stellen.
Fazit bis jetzt: Sehr enttäuschend, man fühlt um zehn Jahre in die Windows-Welt zurück versetzt und gegängelt. Ich weiß nicht, ob ich das als Kunde akzeptieren kann.
Programmstart
Der erste Programmstart war bei mir sehr langsam, wie auch die weitere Arbeit mit der Software. Ich habe deshalb die Apple-Aktivitätsanzeige eingeschaltet; diese zeigt sehr häufig an, dass das Programm »nicht antworte«.
Der Illu telefoniert nach den Start nach Hause.
Auffällig ist auch bei dieser Version die alte Armbanduhr, die kurz vor dem Beachball erscheint. Es handelt sich wohl auch bei CS3 immer noch um ein Carbon-Programm. (Geht das als Universal Binary?)
Die Oberfläche sieht gut aus; wer genau hinsieht wird aber stark an Win erinnert. Auch hier geht Adobe wohl eigene Wege, damit die Programme auf beiden Plattformern identisch erscheinen. Insbesondere fallen die inkonsistenten, zum Teil verpixelten Schriften negativ auf, die in der Oberfläche, Dialogfenstern und Fehlerboxen verwendet werden. So etwas kennt man von modernen Programmen eigentlich nicht mehr.
Die Öffnen/Speichern-Dialogfenster können zwischen dem OS-X- und einem Adobe-Aussehen umgeschaltet werden.
Illu CS3 soll ja sehr viel schneller geworden sein. Ein umfangreiches Dokument, dass in CS1 kaum noch in normaler Geschwindigkeit bearbeitbar war, wird von CS3 noch langsamer geladen. Die Arbeit im Dokument ist in etwa gleich schnell, nur man sieht die Pixelvorschau beim Verschieben der Arbeitsfläche nicht mehr. Hier ist also wirklich ein Vorteil. Bei der reinen Arbeit sehe ich keinen (merkbaren) Unterschied: Ein neues Dokument, und nur ein Rechteck aufgezogen und dies verschoben fühlt sich immer noch etwas zäh an.
Das alte Problem, das der Illu schnelle Eingaben ignoriert, ist immer noch vorhanden. Mal eben schnell die Arbeitsfläche verschieben (Space-Maus) führt schonmal zu selektierten und verschobenen Objekten. Das nervte mich bereits an der Version 7.
Die Kontext-»Palette« liefert alle notwendigen Informationen, wie wir es von Fireworks und auch Freehand kennen. Sehr schön. Allerdings kollidiert diese nachträglich aufgesetzte Funktion mit anderen Paletten. Man kann die Parameter an den unterschiedlichsten Stellen einstellen, das ist der Übersicht eher abträglich.
Funktionalität
Der Illu bringt wieder einige neue Features mit, die ich (und die ct) nicht unbedingt als wesentlich einstufen (und auf der Adobe-Site nachgelesen werden können). Viele der neu hinzugekommenen Features der vergangenen Versionen benötigt der Anwender selten, wichtiger wären m.E. die Überarbeitung grundlegender Funktionen:
Runde Ecken: Ein Objekt mit runden Ecken, die jederzeit individuell editiert werden können, kennt auch CS3 noch nicht. Es gibt viele Möglichkeiten runde Ecken zu erstellen, jedoch keine erreicht annähernd die Funktionalität und Einfachheit anderer Programme.
Pfeilspitzen: Sie reichen immer noch über das Ende der Line hinaus; eine genaue Positionierung ist umständlich.
Verläufe: CS3 kennt weiterhin nur den linearen oder radialen Verlauf. Wer damit nicht zurechtkommt muss das flexible Verlaufsgitter verwenden, das aber häufig zu flexibel und umständlich ist.
Konturverläufe:gehen wohl immer noch nicht?
Und Transparenzverläufe auch nur umständlich über die Masken.
Verwaltung mehrerer Seiten in einem Dokument: ist weiterhin nicht (wirklich) möglich.
Objekte nach vorne und hinten verschieben: Bei der Funktion berücksichtigt Ilu weiterhin alle Objekte der Ebene, statt sie relativ auf die Umgebung zu beziehen. BTW: Wer denkt sich bei Adobe die Tastenkürzel aus?
Das Pfad-Handling ist im Wesentlichen gleich geblieben; jetzt gibt's aber endlich die aus Freehand bekannten Schaltflächen zum Umwandeln der Ankerpunkte. Das grundlegende Problem der vielen benötigten Werkzeuge hat sich nicht geändert. (Oder übersehe ich etwas?)
Schwierig war es, die Ankerpunkte zu treffen. Mittlerweile kann man den Fangbereich erweitern und die Ankerpunkte beim Drüberfahren automatisch vergrößern lassen. Sehr gut.
Die Funktion der Aussehen-Palette kollidiert zunehmend mit anderen Paletten, zum Beispiel der kontextsensitiven Leiste. Hier würde ich mir wünschen, dass die Entwickler mal einen Blick zum zugekauften Freehand werfen.
Man muss sich weiterhin für den Farbraum entscheiden, in dem das Dokument erstellt wird.
Ein Vorteil des Illus war, dass man einzeiligen Text an der Grundlinie positionieren konnte. Das scheint nicht mehr zu gehen.
Freehand-Import
Der Import einer komplexen Freehand-Datei verlief erstaunlich gut. Beim Import weist Illu auf fehlende Features hin, diese werden auch nicht durch andere Funktionen ersetzt. Damit sind praktisch alle Verläufe unbrauchbar, aber die reinen Vektoren und einfachen linearen und radialen Verläufe bleiben erhalten. Auch die Schriften waren editierbar da. Eine hundertprozentige Übernahme ist zwar nicht möglich, aber die Funktion kann eine Menge Zeit ersparen, wenn man auf dem Illu weiterarbeiten will. Nacharbeiten sind aber erforderlich.
Meine Meinung
Alles ist wie gehabt: Neue Programmversionen bieten neue Features, und Eigenarten, die uns immer schon ärgerten werden nicht oder kaum überarbeitet.
Das Programm ignoriert alles was uns an OSX lieb geworden und zukunftsweisend ist (Schriftenhandling, Farbpalette/-verwaltung, Interface-Guidlines, Installer), sodass es wohl egal ist, ob man es auf einem Mac oder PC nutzt.
Bei der Geschwindigkeit bemerke ich keinen großen Unterschied zur CS1. Wenn das Programm auf Intel-Rechner schneller sein sollte, wäre das nicht Adobes Verdienst, sondern auf Rosetta zurückzuführen. Ich hätte mir gewünscht, dass Adobe das Performace-Problem mal grundlegend löst. Das kleine Unternehmen Xara macht es seit Jahren vor, wie schnell eine Vektorsoftware wirklich sein kann.
Und wie sind eure Eindrücke?