hallo, noch einmal ein etwas länger geratener Einwurf von mir,
Prontos Ausgangsfrage war ja "FM-Raster in der PRAXIS"
In der Vorstufensituation, in der ich mich befinde, werden oftmals Daten angeliefert, die bestenfalls korrekt für AM mittels IsoCoatedv2-Profil angelegt sind. Also Bilder und Indesign- oder Quark-Farbflächen, z.B. 50% Cyan als Vektorobjektfüllung (Illustrator-Grafiken mit Profilen lasse ich jetzt mal aussen vor...).
Erst nach Dateneingang stelle ich fest, die Bilder enthalten nicht nur moireeverdächtige Textilmuster und/oder sonstige feine Details, sondern es sind auch Abbildungen enthalten, die aus gescannten, ehemals gedruckten - also bereits gerasterten - Vorlagen entstanden sind. Etliche Vektor-Objekte bestehen aus vielen feinen, geraden und krummen Linien verschiedener Farbzusammensetzungen und die in 9pt gesetzte Brotschrift und die 16pt Headlines sollen unbedingt in "Grau" bestehend aus 80% K gedruckt werden:
Es empfiehlt sich also dringend, und das stellt sich erst jetzt heraus (!), mit einem NP-Raster zu produzieren, um Briefmarkenzacken bei der Schrift und Moirees in den Bildern zu vermeiden und feinste Details auch möglichst "störungsfrei" zu erhalten. Das jetzt die eine oder andere größere, farbige Vektor-Fläche je nach Farbzusammensetzung etwas unruhiger erscheint im Druck, wird abwägend billigend in Kauf genommen, die Möglichkeit Sonderfarbe(n) dafür einzuzsetzen, ist dem Kunden verständlicherweise zu teuer.
In so einem Fall kann ich die Daten entweder
1.
Unverändert auf einer FM-Belichter-Queue rippen, die zuvor gemäss den Soll-Tonwertznahmen der A- +B-Kurven kalibriert wurde.
Bei Dateitonwert
50% Cyan
messe ich real auf dem letzten Testbogen dann:
63,2% Flächendeckung ("Soll" - nach FOGRA39 - 64%)
und den Farbwert Lab
76,08 _ -16,34 _ -26,83.
Als Vergleichswerte messe ich auf dem letzten 70iger AM-Testbogen an derselben Stelle:
64,5% Flächendeckung (Soll 64%)
und den Farbwert Lab
77,02 _ -16,78 _ -26,21.
DeltaE (CIE 1976) 1.21 des NP-Druckbogen ist durchaus akzeptabel im realen Vergleich mit einem AM-Druck derselben Datei und
DeltaE (CIE 1976) 0,5 gemessen am "Soll"-Farbort aus FOGRA39 (75.62 -16.48 -26.70) sogar besser als
DeltaE (CIE 1976) 1,51 gemessen am "Soll"-Farbort aus FOGRA39 (75.62 -16.48 -26.70) des AM-Druckbogens.
2.
könnte ich die korrekt für ISO_Coatedv2 angelegten Daten DeviceLink konvertieren (Primär- und Sekundärfarben erhaltend) und auf einer gemäss der F-Kurve kalibrierten RIP-Queue belichten (wenn ich eine hätte...).
Ein ursprünglicher (FOGRA39) 50%iger Dateiwert Cyan wird dann für "PSO_Coated_NPscreen_ISO12647_eci" (FOGRA43) auf 37% heruntergerechnet und "idealerweise" mit 27,6% Zuwachs gemäss der F-Kurven-Tabelle als 64,6 % gedruckt, real dann wohl irgendwo zwischen 63% und 66% oder gar noch ´n Tucken weiter entfernt, letzten Endes komme ich doch aber zum gleichen Ergebnis, wie mit Methode 1.
Beide Fälle haben den Vorteil, daß der/die mehr oder weniger ausgebildete Gafiker/in, die sich (immer noch leicht bis schwer verunsichert über die ganze "Profilerei" und dieses so lästige Farbmanagement) die ganze Zeit (nach Cleverprinting-Anleitung) in ISO_Coatedv2 arbeitend und am Monitor, eventuell gar via Digiproof betrachtend auch "unwissentlich" relativ (!) genau das vorhersieht, was dann später gedruckt werden kann.
Ein weiterer Vorteil ist dann die Möglichkeit in der Vorstufe sozusagen in letzter Minute noch zu entscheiden, ob nun in AM oder NP produziert werden soll, ohne einen erheblichen Eingriff in einen bestehenden (möglicherweise bereits geplotteten) Datenbestand vornehmen zu müssen, wobei die Variante 2. dann schon eine komplette Konvertierung des Dokuments erfordert, aber eben doch noch "sicherer" ist, als ein erneuter Export in eine andere Ausgabebedingung aus einem Layoutprogramm.
Ein Nachteil bei Methode 1 ist allerdings, daß der Separationsaufbau der FOGRA39-AM-Daten nun einmal naturgemäss im Detail auch auf AM-Druck hin abgestimmt wurde. Ich gebe gerne zu, daß ich das selbst nicht ganz überblicke, welchen Einfluss das nun tatsächlich auf so einen NP-Druck von AM-separierten Daten haben kann, da ich gleichzeitig denke: Wenn ich nun idealerweise einen x-beliebigen (z.B. 50%-) Primärfarb-Dateitonwert farbmetrisch und flächendeckend gleichermassen in AM und Np gedruckt bekomme, dann müsste das doch für jede mehrkanalige "Mischfarbe" genauso gelten.
Etwas völlig anderes aber sind Ausgangsituationen, die in der Praxis auch vorkommen und auf die (so, wie ich ihn nun verstanden habe) Loethelm und auch Thomas anspielen und die ich ähnlich auch gerade von einem mir bekanntem reinen Vorstufler erzählt bekommen habe:
Der "Das-technisch/qualitativ-bestmögliche-ist ihm-gerade-gut-genug-jetzt-wo-ich-es-mir-endlich-einmal-leisten-kann"-Kunde will - aus welchen Gründen auch immer - von vornherein eine NP-Produktion.
Die von ihm auserwählte Druckerei brüstet sich mit der Fähigkeit FOGRA-zertifiziert NP-Raster belichten und drucken zu können, wenn sie richtig gut ist, dann weiss sie sogar zu unterscheiden zwischen Jobs, bei denen NP Sinn macht und wann nicht.
Nun beauftragt der Fotograf (=Kunde) für seinen nächsten grossen Ausstellungs-Katalog einen "Lithografen", der ihm seine digitalen RGB-Fotos gemäß der NP-Druckbedingung aufarbeitet, wie von der Druckerei empfohlen. Desweiteren beauftragt er einen mit ihm seit Jahren gut befreundeten Grafiker mit diesem speziell erstellten Bildmaterial dann das Layout auszuführen.
Der Lithograf nimmt seinen Job sehr ernst, betrachtet und legt gesondert Hand an bei der Behandlung von Lichter- und Tiefen-Partien hinsichtlich des Separationscharakters des mit der Druckerei abgestimmten Profils "PSO_Coated_NPscreen_ISO12647_eci" (FOGRA43).
Es gibt zwei Abstimmungsdurchläufe via Proofs mit dem Fotografen-Kunden, es werden Korrekturen in den Mitteltönen im 1-3%igen Bereichen vorgenommen, bis der Kunde meint, sein Bestes dazu getan zu haben, wie seine Vorstellung von Fotografie in einem gedruckten Buch abgebildet werden muss.
Die Bild-Daten werden dem Grafiker zugespielt, dieser baut sie ins Layout ein und übergibt PDFs an die Vorstufe der Druckerei.
Es werden gut 100 Platten belichtet.
Beim Andrucktermin (mit Kunden) gibt es dann einen entsetzten Anruf beim Lithografen-Vorstufler: Die Bilder sind alle viel zu hell und lasch...
Irgendwo zwischen Grafiker (Layouter) und Vorstufen-Belichtung wurden die bereits einen hohen Tonwertzuwachs erwartenden Bild-Daten dann offensichtlich noch einmal von FOGRA39 hin zu PSO-NPscreen hin konvertiert: Es gab bereits im Entstehungsprozess viel Kommunikation, aber nicht alle Beteiligten waren gleichermassen daran beteiligt oder auf dem gleichen Stand und es sind nicht nur erhebliche Kosten, sondern auch nicht unbeträchtliche Ängste entstanden und Nerven verschlissen worden, aber immerhin - dann mit Abstand betrachtet - auch eine weitere "Anekdote" der schwarzhumorigen Kunst ward geboren...
Wird also an irgendeiner Stelle vor der Druckvorstufe/Belichtung bereits mit NP-Profilen oder Arbeitsfarbräumen gearbeitet, dann ist es unabdingbar, daß das auch von vorne bis hinten kommuniziert, eingehalten und berücksichtigt wird.
Bestimmt ist auch nicht jedem Layouter, der zwar Bilder bereits in Photoshop von RGB in NP konvertiert, weil er das so als "verlustärmsten" gelernt hat, klar, daß er jetzt nicht nur seine Photoshop-Proofvorschau, sondern gleich sein ganzes Indesign-Dokument am besten in einem NP-Arbeitsfarbraum für den späteren PDF/X-Export anlegt, wenn er auch der Proof-Ansicht des Layoutprogramms vertrauen will, die er zudem dann auch noch entsprechend einstellen muss.
Und ganz bestimmt wissen die wenigsten, daß 50% Cyan in so einer Arbeitsdatei auf Grund der erhöhten Tonwertzunahme nun einmal ein dunkleres Druckergebnis ergeben werden, als er es erfahrungsgemäss von AM-Produktion gewohnt ist, denn ein direkter Vergleich am screen mit einer AM-Ausgabebedingung wird ihm schwerlich gelingen.
PDF/X wird halt immer noch längst nicht von allen Druckdaten-Erzeugern beherrscht und nur dann ein wunderbar verlässlicher Standard, wenn da vorher nichts "verfälscht" wurde.
Bei inkonsequenter NP-Datei-Erstellung (und das sind die allermeisten Daten, die die Druckerei erreichen) also ist die NP-Produktion mittels entsprechender F-Kurven-Kalibrierung also im Detail sogar weniger risikofrei als eine DeviceLink-konvertierte, ursprüngliche FOGRA39-AM-Datei, das ist zumindest meine Meinung zu diesem Thema.
Um die "Vorteile" (nicht so heftige Korrekturkurven, stringente und "exakte" Proofmöglichkeiten im Vorfeld am screen und via Hardproof) einer F-Kurven-Produktion also tatsächlich auch nutzen zu können, bräuchte dann also nicht nur die Druckerei, sondern eben erst recht die vorgeschaltete Grafik das entsprechende KnowHow in Sachen Colormanagement. Als Druckdienstleister kann ich nicht entscheiden, ob gelieferte 50% Tonwerte nun tatsächlich für NP oder aus "Gewohnheit" eigentlich für AM angelegt wurden.
Abschliessend gebe ich noch zu bedenken, daß ein NP-Druck bei aller angestrebten und möglicherweise weitestgehend sogar erreichten, messtechnischen und somit farblichen "Gleichheit" gemessen an einer AM-Ausführung schlicht eben doch ein anderes Verfahren ist und somit auch immer etwas anders "wirken" wird als eine AM-Produktion.
Wer im Text nun hier angekommen ist, möge doch bitte heftig oder wenigstens lau widersprechen ;-)
Gruß,
Ulrich
als Antwort auf: [#497787]
(Dieser Beitrag wurde von Ulrich Lüder am 10. Jul 2012, 16:37 geändert)