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Kerningreklamation

Martin Fischer
Beiträge gesamt: 12783

6. Dez 2006, 15:43
Beitrag # 1 von 19
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Heute hatte ich bei Linotype die übertriebene Unterschneidung von Kombinatonen zwischen Leerzeichen und den folgenden Großbuchstaben "A, T, V, W, Y" bei der Bembo Std reklamiert. Und zwar in den Schnitten "Regular" und "Italic".

Über einen Fonteditor hatte ich im Vorfeld festgestellt, daß just für diese Kombinationen Unterschneidungen defniert sind. Die anderen Großbuchstaben der Bembo haben in Kombination mit dem vorangestellten Leerzeichen keinen Unterschneidungswert.

Nun wimmelte mich der Linotype-Sachbearbeiter zunächst ab: Der Font sei nicht von Linotype digitalisiert, sondern von Adobe. Linotype verkaufe diesen Font, aber für die Qualität sei Adobe zuständig.

Zum zweiten sei es heute mit jedem modernen Satzprogramm möglich, die Unterschneidungen manuell nachzubearbeiten. Große Firmen würden das auch tun. Ich hakte nach: manuelle Nachbearbeitung bei Mengensatz. Ja, das sei so.
Ich: ob er wüßte, was das bei jedem Umbruch für einen Aufwand bedeuten würde.
Der Sachbearbeiter: ob ich wüßte, was es Linotype kosten würde, wenn Sie jeden Font von einem Schriftsachverständigen 1-2 Tage lang überprüfen würden.

Bei einem Fontpreis von 26,50 Euro könne man heute nicht einen ordentlich zugeschnittenen Font erwarten. Die Mängel könnten durch das jeweilige Satzprogramm manuell ausgeglichen werden.

Da steh' ich jetzt irgendwie saublöd da.
Einerseits ist der Fehler so offensichtlich und im Prinzip mit einem Fonteditor wahrscheinlich schnell behoben, andererseits darf ich aus lizenzrechtlichen Gründen in den Font nicht eingreifen, um den Fehler zu korrigieren. Und zum Dritten ist der Lieferant nicht bereit, die Korrektur selbst vorzunehmen.

Wäre ich Maurer und mein Zement hätte eine schlechte Qualität, wäre es leichter, Ersatz zu bekommen.

Ich verstehe ja einerseits das Argument mit den Billigpreisen für Fonts.
Andererseits ist die Bembo ja nicht erst seit gestern auf dem Markt und man sollte meinen, daß die genannten Fehler in den letzten 20 Jahren schon öfters reklamiert worden sind und daß gesammelte Fehler - wie bei Software üblich - über Bugfixes oder ein Update behoben werden.

Das scheint bei Fonts nicht der Fall zu sein.
Unterm Strich will mir die nahegelegte Lösung der manuellen Nachbearbeitung auch nicht einleuchten. Ich verstehe unter einem Font nicht nur eine Sammlung von Zeichen, sondern auch das Verhalten der vorhandenen Zeichen zueinander.
Und wenn der Lieferant das Verhalten nicht ordentlich steuern kann, dann sollte es doch zumindest möglich sein, daß der Anwender in dieses fehlerhafte Verhalten - sprich in die Zurichtung der Zeichenpaare eingreifen darf. Und zwar an der Wurzel und nicht über eine Symptomkorrektur im Satzprogramm mit manuellen Unterschneidungen.

Mußte mal Dampf ablassen.
Etwas frustriert
Martin

(Dieser Beitrag wurde von Martin Fischer am 6. Dez 2006, 15:45 geändert)
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Kerningreklamation

mpeter
Beiträge gesamt: 4628

6. Dez 2006, 16:09
Beitrag # 2 von 19
Beitrag ID: #265738
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Hallo Martin,
ich verstehe deinen Unmut bzgl. der Schriftenhersteller sehr gut. Hab hier ebenfalls Schriften von Linotype im Einsatz und bin mit der Qualität auch nicht immer glücklich. Das Argument von Linotype die Schrift sei von Adobe ist ja auch Schwachsinn in Tüten.
Allerdings verstehe ich deinen Unmut bzgl. der Bembo und der genannten Glyphenpaare nicht ganz. Dass ein W unterschnitten wird und ein K weniger oder gar nicht ist doch korrekt. Ob die Unterschneidung beim Y dann gleich 200 betragen muss, darüber kann man sicherlich reden. Falls dir die Abstände zu groß sind – ist immer auch etwas Geschmackssache – kannst du als glücklicher ID-Nutzer auch das optische Kerning verwenden. Gefällt mir persönlich besser.

Vergessen sollte man aber nicht, dass die Schriftenentwickler eine Schrift nicht nur für eine Sprache/Kulturkreis erstellen. Im Amerikanischen z. B. wird gerne etwas enger gesetzt als im Deutschen. Allen kann man es nicht Recht machen :-(

Bei einigen Schriften muss aber wirklich mal nachgebessert werden, einfach die Codierung zu ändern, ein OT draufzukleben und als neu zu verkaufen kann’s nicht sein!


als Antwort auf: [#265729]

Kerningreklamation

Martin Fischer
Beiträge gesamt: 12783

6. Dez 2006, 16:16
Beitrag # 3 von 19
Beitrag ID: #265740
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> Dass ein W unterschnitten wird und ein K weniger oder gar nicht ist doch korrekt.

Aber trotz dieser Unterschiede sollte doch bei einem unterschnittenen "W" oder "V" doch trotzdem noch einen Wortzwischenraum erkennen. Schreib mal einen Satz "ein. Vorgestern ist ..."

Bei den Abständen im Blocksatz habe ich übrigens ein Minimum von 80% stehen, Optimum = 100% und Maximum = 200%.

> Falls dir die Abstände zu groß sind – ist immer auch etwas Geschmackssache –
> kannst du als glücklicher ID-Nutzer auch das optische Kerning verwenden.

Generell möchte ich das nicht einsetzen.
Die Laufweite kam mir beim Experimentieren damit immer etwas zu weit vor.

Übrigens liefert das optische Kerning bei den o.g. Kombinationen einen Unterschneidungswert von 0 - so wie ich es haben möchte. ;-)


als Antwort auf: [#265738]

Kerningreklamation

mpeter
Beiträge gesamt: 4628

6. Dez 2006, 16:29
Beitrag # 4 von 19
Beitrag ID: #265746
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Hallo,
du hast Recht, die Unterschneidung ist zu stark aber wie schon gesagt die Amis mögen das – die mögen auch fettfreie Butter ;-).
Das optische Kerning setze ich auch nicht blind ein aber bei einigen Schriften ist der Satz um Klassen besser, gegebenenfalls schraube ich da noch an den Abständen und setze den Wortabstand optimal auf z. B. 95 %. Am besten wäre es natürlich wie von dir auch gefordert, dass die Schriftenhersteller, -vertreiber ihren Pflichten nachkommen und zumindest etwas »Modellpflege« betreiben.


als Antwort auf: [#265740]

Kerningreklamation

Marco Morgenthaler
Beiträge gesamt: 2474

6. Dez 2006, 16:42
Beitrag # 5 von 19
Beitrag ID: #265749
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Hallo Martin

Ärgere mich auch oft über die Centennial von Linotype (OpenType). Die Kombination «. A» führt bei engen Zeilen (min. wie bei dir 80%) zu einem fehlenden Wortzwischenraum, während sonst in der Zeile alles okay ist. Es bleibt das manuelle Nachbearbeiten.

Es geht nicht um perfekt gekernte Schriften (vgl. «Detailtypografie»), aber diese Selbstverständlichkeiten (WZR) sollten von den Schriftherstellern einfach richtig umgesetzt werden. Ein «Schriftsachverständiger» hat ja tatsächlich mal an den Kerningwerten rumgeschraubt, aber falsch.

Mit Fontlab hätte ich keine Skrupel, falsche Kerningwerte zu verbessern, Lizenz hin oder her, aber eben …

Gruss
der Leidensgenosse


als Antwort auf: [#265746]

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koder
Beiträge gesamt: 1743

7. Dez 2006, 22:08
Beitrag # 6 von 19
Beitrag ID: #265983
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Hi,

100% ACK mit allen Beiträgen hier. Haltlos übertriebene Unterschneidung scheint im Moment sowieso irgendwie 'in' zu sein, vielleicht weil es die User seit InDesign's "optisch"-Funktion meistens nicht mehr anders gewöhnt sind (?), aber die Linotype Gold-Collection usw. waren ja vorher da. Ich habe auch an einigen Schriften etwas auszusetzen. Und (muß ich auch mal sagen) stammen diese problematischen Schriften eher selten von Adobe, meine Kanditaten sind da eher Linotype, Monotype und Bitstream :-(


als Antwort auf: [#265749]

Kerningreklamation

Yves Apel
Beiträge gesamt: 1724

8. Dez 2006, 07:55
Beitrag # 7 von 19
Beitrag ID: #265993
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Hallo,

wie koder kann auch ich die Aussagen verstehen und nachvollziehen. Leider ist es wirklich nicht immer einfach "gute" Schriften zu bekommen. Meine ganz speziellen Fälle sind die Swiss 721 BT, Gill Sans sowie die FF Profile. Bei den einen die Laufweite, bei den anderen die Kodierung. Einfach nur grauenhaft!

Da habe ich nicht die geringsten Skrupel mal in die Schrift einzugreifen und zu verbessern.


als Antwort auf: [#265983]

Kerningreklamation

Marco Morgenthaler
Beiträge gesamt: 2474

8. Dez 2006, 12:47
Beitrag # 8 von 19
Beitrag ID: #266053
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Hallo Koder

Antwort auf: Haltlos übertriebene Unterschneidung scheint im Moment sowieso irgendwie 'in' zu sein, vielleicht weil es die User seit InDesign's "optisch"-Funktion meistens nicht mehr anders gewöhnt sind (?)


Das kann ich nicht nachvollziehen. Mit optischem Kerning in Indesign werden die Buchstaben (auch in Kombination mit Leerzeichen) bei mir nicht unterschnitten. Die Laufweite ist eher minim grösser, die krassen Fehler bei den WZR verschwinden. Aber wie erwähnt ist die Funktion «Optisch» eigentlich nicht für Fliesstext gedacht.

Gruss Marco


als Antwort auf: [#265983]

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Michi-F
Beiträge gesamt: 232

14. Dez 2006, 11:36
Beitrag # 9 von 19
Beitrag ID: #266945
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Hallo,

wenn es nur um die Abstände zu den Leerzeichen geht, dann kann man auch einfach nur die Wortzwischenräume durch Suchen/Ersetzen auf optisch stellen. Damit sind dann alle Abstände in Ordnung und die Schrift ansich wird nicht verändert.

Gruß, Michael


als Antwort auf: [#266053]

Kerningreklamation

Markus Keller
Beiträge gesamt: 670

15. Dez 2006, 09:52
Beitrag # 10 von 19
Beitrag ID: #267107
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Hallo,

dass man bei Linotype keine Updates bekommt, ärgert mich schon lange. Da hab ich mir die komplette Helvetica neu gekauft mit Eurozeichen. Die hatte den gleichen Namen wie die ohne Eurozeichen, was immer wieder zu Problemen führte. Das hat dann auch Linotype gemerkt und die Schrift umbenannt (= LT an den Namen gehängt). Jetzt sollte man doch meinen, dass die ersten Käufer dann ein Update kriegen - gibts aber nicht.

Es geht aber auch anders: Erst kürzlich hab ich bei MyFonts.com eine Schrift gekauft (Musee), ein paar Wochen später kam ein Mail, dass es ein (kostenloses) Update gibt, weil ein Problem mit Sonderzeichen unter OSX behoben werden musste. Und die Schrift war auch nicht teurer als die von Linotype. Mögen die Amerikaner typografisch (und politisch) manchmal seltsame Vorstellungen haben, von Service verstehen die jedenfalls was.

Markus Keller


als Antwort auf: [#265729]

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Bernhard Werner
Beiträge gesamt: 5131

1. Jul 2012, 13:31
Beitrag # 11 von 19
Beitrag ID: #497336
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Hallo zusammen,

ich grab' den Thread mal aus. Er ist zwar schon uralt, jedoch immer noch hochaktuell.

Was spricht eigentlich dagegen, den Font selbst zu korrigieren, wenn sich der Schriften-Lieferant weigert, dies zu tun?

Lizenz hin oder her - letztlich müsste es dann auch auf eine Mängelrüge hinauslaufen!

Dank und Gruß
Bernhard


als Antwort auf: [#267107]

Kerningreklamation

typografie.info
Beiträge gesamt: 403

1. Jul 2012, 13:47
Beitrag # 12 von 19
Beitrag ID: #497337
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Was dagegen spricht, habe ich gerade hier ausführlich erklärt:
http://www.typografie.info/...ren-und-modifizieren


als Antwort auf: [#497336]

Kerningreklamation

Bernhard Werner
Beiträge gesamt: 5131

1. Jul 2012, 14:04
Beitrag # 13 von 19
Beitrag ID: #497339
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Vielen Dank dafür!

Es bleibt die Frage, wie's dabei mit "unterlassener Hilfeleistung" ausschaut? Erstrecht, wenn die Schrift - wie auch bei Martin - nicht direkt beim Hersteller erworben wurde oder auch neue Versionen einer Schrift die gleichen Fehler haben.

Mir geht es nicht um eine Rechtsberatung, sondern um eine thematische Sensibilisierung auch auf Seiten der Hersteller, die uns letztlich in die Illegalität zwingen.

Dank und Gruß
Bernhard


als Antwort auf: [#497337]

Kerningreklamation

typografie.info
Beiträge gesamt: 403

1. Jul 2012, 14:35
Beitrag # 14 von 19
Beitrag ID: #497340
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Selbstverständlich sollten »Software-Bugs« dem Hersteller gemeldet werden. Ob und wie schnell die behoben werden, hängt vom konkreten Fall ab.
Einen schwer wiegenden Fehler würden wir zum Beispiel in der Regel sofort korrigieren und binnen Tagen dem Nutzer eine neue Version ausliefern. Darauf hat der zahlende Käufer auch einen Anspruch.
Kleinere Probleme werden für ein zukünftiges Update vorgemerkt, da der übliche und recht aufwendige »Mastering-Prozess« von Schriften in der Regel nicht rechtfertigt, dass man für eine Korrektur eines Kerning-Paares ein komplette Schriftfamilie neu mastert.

Bei MyFonts werden Käufer tatsächlich vollautomatisch über Updates der Fontdateien informiert. Das hat nun aber – wie oben geschrieben – nicht direkt etwas mit amerikanischem Service zu tun. MyFonts ist ja nur Reseller. Ob die Fonts aktualisiert werden, liegt allein in der Hand der jeweiligen Schriftgestalter.


als Antwort auf: [#497339]

Kerningreklamation

JohanneS.
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2. Jul 2012, 17:25
Beitrag # 15 von 19
Beitrag ID: #497404
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Moin zusammen,

ein kurzer Bericht zu den Themen »Verboten durch die Lizenzbestimmungen«, die Gefahren der Eigenkorrektur und Service: in einem Schnitt der LT Syntax fand sich (vor zehn Jahren) ein gehöriger Unterschneidungsfehler. Ich rief in Bad Homburg an, der freundliche Herr fragte was und wie und dann, ob ich Fontographer oder so habe (Ja), er schicke mir die richtigen Werte und ich könne das dann ja schnell selber erledigen. Sie hätten so viel zu tun, das könne lange dauern, werde aber erledigt. Schon war die E-Mail mit den richtigen Werten da.
Bei ein oder zwei Vorkommen ließ ich die Änderung, korrigierte das stattdessen im Layout.
Ein Jahr später kam eine CD: die überarbeitete Version (leider mit identischem Namen und identischer Font-ID).

Grüße
Johannes


als Antwort auf: [#497340]
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