Hallo,
das Thema Silbentrennung und Rechtschreibprüfung durch Computer ist ein absoluter Klassiker, seit man mit Computern Texte setzt.
In der Tat wird ein Computer bzw. genauer ein Algorithmus nie genauso(gut) trennen können wie ein Mensch, einfach schon deswegen, weil der Computer in aller Regel den Kontext nicht kennt. Ein prominentes Beispiel: In einem juristischen Text mag erb-las-sen richtig sein, in einem Thriller "er-blas-sen".
Zu deinen Anmerkungen über die sinnentstellenden Trennungen in "langen" Wörtern - die ja nur dadurch lang werden, daß die deutsche Sprache Wörter zusammenzieht: Hier heißt im Moment die Lösung "Trennqualitäten".
Ein Algorithmus solte also nicht nur die Trennstellen an sich in Wörtern herausfinden, sondern auch nach bestimmten Regeln entscheiden, ob diese "sehr gute", "gute", ... , "miserable" Trennstellen sind. Beispiel: Bier-(sehr gut)de-(miserabel)ckel. Diese Informationen müßen dann an das jeweilige Umbruchmodul weitergegeben werden, welches diese beim Umbruch dann berücksichtigt.
Jetzt kommen die guten Nachrichten: Die Umbruchmodule, die in InCopy und InDesign eingebaut sind, der "Einzeilensetzer" und der "Absatzsetzer", können mit Trennqualitäten umgehen. Leider erlauben InCopy/InDesign nur den Zugriff auf drei Qualitätsstufen, nennen wir sie hier mal gut, mittel, schlecht. Diese Trennqualitäten können im Benutzerwörterbuch als eine Tilde für gut, zwei Tilden für mittel, drei Tilden für schlecht eingegeben werden: Bier~de~~~ckel.
Dummerweise liefert der in InDesign eingebaute Silbentrennalgorithmus in den seltensten Fällen in manchen Sprachen Trennqualitäten, sondern meldet alle Trennungen als gleich gut.
Es gibt jedoch einen Algorithmus, der Trennqualitäten bestimmen kann: der Dieckmann-Algorithmus, den es mittlerweile auch als Plug-In für InCopy/InDesign gibt. Info z.B. bei
http://www.itip.biz.
Den Algorithmus gab es z.B. schon für QXP3 als "DiHyphXT", und viele Satzbetriebe (auch wir) haben darauf geschworen. Der Dieckmann-Algorithmus kann übrigens viel mehr, als InDesign es dem zuläßt Anwender einzustellen.
Was die manuellen Trennungen angeht: Ich selbst durfte noch ein paar Tage Handumbruch mit Bleizeilen machen, bevor ich unter Auslassung des Fotosatzes gleich ins DTP gerutscht bin; ich bin also auch schon eine Weile dabei.
Was mir jedoch im Werksatz schon immer suspekt war, sind Trennungen per Hand, und zwar aus folgenden Gründen:
1) Die Trennung "Versicherungsan-gestellter" ist zwar an dieser Stelle vermieden, aber was, wenn das Wort nochmals auftaucht? Was, wenn das Wort bisher in der Mitte der Zeile stand und nun durch Einfügen dreier Wörter weiter oben das Wort plötzlich getrennt werden muß? Deshalb war/ist es mir immer lieber, solche Wörter in ein Ausnahmelexikon zu stellen, idealerweise mit Trennqualitäten, und dann dieses Wort zu abzuhaken.
2) Der "Vortrenner" ist ein weiteres Zeichen in der Textkette, das bei Im-/Exportvorgängen entweder verloren geht oder mitgeführt wird. Im ersten Fall habe ich mir die Mühe umsonst gemacht, im zweiten Fall muß ich kontrollieren, wie das Vortrennzeichen übertragen wird, und meine Zeichenanzahl im Text hat sich erhöht.
3) Die Trennung per Hand ist auch beim Profi fehleranfällig. Erstens bin auch ich mir nicht bei allen Trennungen sicher, insbesondere nicht in der Übergangszeit alte-neue deutsche Rechtschreibung, und schon gar nicht beim Fremdsprachensatz. Zweitens können Wörter mittlerweile verschieden getrennt werden, und Verlage können entscheiden, wie getrennt wird - also: kundenspezifisches Ausnahmelexikon, erledigt. Drittens: Irgendwann vertippt man sich einfach mal - sage keiner, das passiere ihm nicht.
4) Trennung per Hand ist ein enormer Zeitaufwand, der einerseits nicht bezahlt wird und andererseits aufgrund kurzer Produktionszeiten gar nicht machbar ist.
Fazit für mich: Wer nach den berufsüblichen Qualitätskriterien Werksatz machen möchte, der braucht entsprechend leistungsstarke Software, unter anderem auch für die Silbentrennung.
Was meint ihr? Dieses Thema ist eines meiner persönlichen Steckenpferde, und ich freue mich auf die Diskussion.
Grüße
Rudi
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