Der Schriftsteller und Filmemacher Michael Moore ("Stupid White Men",
"Bowling for Columbine") hat sich am Vorabend des Irak-Kriegs in einem
offenen Brief an seinen Präsidenten gewandt. Hier der Wortlaut des
Schreibens.
Montag, 17. März 2003
Lieber Gouverneur Bush,
heute ist also der Tag, an dem, wie Sie es nennen, die "Stunde der Wahrheit"
gekommen ist, der Tag an dem "Frankreich und der Rest der Welt ihre Karten
auf den Tisch legen müssen".
Ich bin froh, dass dieser Tag nun endlich da ist. Denn, das muss ich Ihnen
sagen, nach 440 Tagen mit Ihren Lügen und Ihren Halbwahrheiten war ich nicht
sicher, ob ich das noch länger ausgehalten hätte.
So bin ich beruhigt zu hören, dass heute der Tag der Wahrheit gekommen ist,
denn ich möchte Ihnen gerne ein paar Wahrheiten mitteilen:
1. Es gibt im Grunde genommen NICHT EINEN in Amerika (ausgenommen
Talk-Radio-Spinner und Fox News), der Gung-Ho-mäßig [Gung Ho ist ein
Plastiksoldat, Anm. d. Red.] wild darauf ist, in den Krieg zu ziehen.
Vertrauen Sie mir in diesem Punkt. Gehen Sie aus dem Weißen Haus heraus in
irgendeine Straße und versuchen Sie, fünf Leute zu finden, die
leidenschaftlich gerne Iraker umbringen möchten. SIE WERDEN SIE NICHT
FINDEN! Warum? Weil keine Iraker jemals hierher gekommen sind und einen von
uns getötet haben. Kein Iraker hat jemals gewagt, dies zu tun. Sie sehen, so
denken wir Durchschnitts-Amerikaner: Wenn irgend jemand irgendetwas tut, was
nicht als Angriff auf unser Leben wahrgenommen wird, dann - glauben Sie es
oder nicht - wollen wir ihn nicht töten. Lustig, wie so was läuft.
2. Die Mehrheit der Amerikaner - die, die Sie niemals gewählt haben -
sind nicht auf Ihre Gehirnwäsche hereingefallen. Wir wissen, was die
wirklichen Probleme sind, die unser tägliches Leben betreffen - und keiner
fängt mit einem I an und hört mit einem K auf. Das hingegen macht uns
wirklich Angst:
Zweieinhalb Millionen Menschen verloren Ihre Arbeit, seitdem Sie im Amt
sind, die Börsenkurse sind zu einem schlechten Witz verkommen, keiner weiß,
ob die Rentenfonds in Zukunft noch existieren werden, Benzin kostet
mittlerweile fast zwei Dollar - diese Liste könnte noch endlos fortgesetzt
werden. Den Irak zu bombardieren, wird keine einzige Lösung dafür bringen.
Es gibt nur eins: Sie müssen gehen, damit die Dinge sich verbessern können.
3. Wie [der Talkshow-Moderator, Anm. d. Red.] Bill Maher letzte Woche
sagte:
Wie tief sind Sie gefallen, um einen Beliebtheitswettbewerb gegen Saddam
Hussein zu verlieren? Die ganze Welt ist gegen Sie, Mr. Bush. Zählen Sie die
Amerikaner dazu.
4. Der Papst hat gesagt, der Krieg sei falsch, er sei eine SÜNDE. Der
Papst!
Aber es kommt sogar noch schlimmer: Die Dixie Chicks sind nun auch gegen
Sie. Wie tief muss es noch mit Ihnen bergab gehen, bevor Sie merken, dass
Sie Armee von nur einem Menschen in diesem Krieg sind. Natürlich ist das ein
Krieg, in dem Sie nicht persönlich kämpfen müssen. Genauso als Sie sich
unerlaubt von der Truppe entfernten und die anderen armen Kerle statt Ihrer
nach Vietnam verschifft wurden.
5. Von den 535 Mitgliedern des Kongresses hat nur EINER (Sen. Johnson
aus South Dakota) seinen Sohn oder seine Tochter beim bewaffneten Militär
eingetragen. Wenn Sie wirklich für Amerika einstehen wollen, schicken Sie
bitte sofort Ihre Zwillingstöchter nach Kuwait und lassen Sie sie dort Ihre
chemischen Armee-Sicherheitsanzüge tragen. Und lassen Sie uns sehen, ob alle
Mitglieder des Kongresses mit Kindern im militärfähigem Alter ihre Kinder
für diesen Kriegseinsatz opfern würden. Was haben Sie gesagt? Das glauben
Sie nicht? Gut, okay, wissen Sie was - das glauben wir auch nicht!
6. Schlussendlich: Wir lieben Frankreich. Gut, sie haben einige Dinge
richtig verbockt. Ja, einige von ihnen können sogar verdammt nerven. Aber
Sie haben vergessen, dass wir dieses Land [die USA] nicht mal als Amerika
gekannt hätten, wenn es die Franzosen nicht gegeben hätte. War es nicht mit
ihrer Hilfe während des Revolutionskrieges, mit der wir gewonnen haben? Und
waren es nicht unsere größten Denker und Gründerväter - Thomas Jefferson,
Ben Franklin etc. -, die viele Jahre in Paris verbrachten, wo sie die
Konzepte überarbeiteten und verfeinerten, die uns zu unserer
Unabhängigkeitserklärung und unserer Verfassung geführt haben? War es nicht
Frankreich, das uns die Freiheitsstatue geschenkt hat? War es nicht ein
Franzose, der den Chevrolet gebaut hat, und waren es nicht ein paar
französische Brüder, die das Kino erfanden? Und nun tun sie das, was nur ein
guter Freund tun kann - Ihnen die Wahrheit über Sie, Mr. Bush, sagen,
geradeheraus und ohne Umschweife. Hören Sie auf, auf die Franzosen zu
pinkeln, und danken Sie ihnen, dass die es endlich einmal richtig machen.
Wissen Sie, Sie hätten wirklich mehr verreisen sollen (zum Beispiel ein
Mal), bevor Sie Präsident geworden sind. Ihre Ignoranz gegenüber der Welt
hat Sie nicht nur lächerlich aussehen lassen, sondern hat Sie auch in eine
Ecke gedrängt, aus der Sie nicht wieder herauskommen.
Hey, nehmen Sie es nicht so tragisch - jetzt kommen die guten Neuigkeiten:
Wenn Sie diesen Krieg wirklich durchziehen, wird er mit ziemlicher
Wahrscheinlichkeit schnell vorbei sein, denn ich schätze, dass es nicht
viele Iraker gibt, die ihr Leben zum Schutze Saddam Husseins lassen wollen.
Nachdem Sie den Krieg gewonnen haben, werden Sie einen enormen Zuspruch in
der Bevölkerung erfahren, da jeder Gewinner liebt - und wer möchte nicht ab
und zu einen ordentlichen Arschtritt sehen (vor allem, wenn es ein
Dritte-Welt-Arsch ist). Also, versuchen Sie Ihr Bestes und tragen Sie diesen
Sieg den ganzen Weg bis zur Wahl im nächsten Jahr mit sich. Natürlich ist
das noch ein weiter Weg, und so haben wir alle noch eine lustige Zeit vor
uns, während wir zugucken, wie die Wirtschaft immer weiter den Bach
runtergeht!
Aber, Mensch, wer weiß, vielleicht finden Sie ja Osama ein paar Tage vor den
Wahlen! Sehen Sie, SO müssen Sie denken! Bloß nicht die Hoffnung aufgeben!
Tötet Iraker - sie haben unser Öl!!!
Hochachtungsvoll
Michael Moore
Quelle:
http://www.n-tv.de/3147510.html