Hallo alle miteinander...
Da hab ich ja was angestellt mit meinem kurzen Anfangsbericht... Selten habe ich so kontroverse Antworten gelesen, bei denen natürlich jeder auf seine Weise und seinen Umständen entsprechend auch recht hat. Das ist es, was mir an diesem Forum so gefällt... Man darf sagen, was Sache ist und es entsteht daraus tatsächlich eine richtige Diskussion... Daher mal allen einen netten Dank für ihre Meinung zu diesem Thema...
Es stimmt schon, ich bin wirklich ein ganz kleines Lichtlein in der Gilder der Profis auf dem grafischen Gewerbe, ich habe nie Angestellte gehabt und werde mich auch in Zukunft hüten, mir welche zuzulegen. Ich bin als Freelancer in die verschiedensten Firmen gekommen, ob als Supporter, Lehrer, Mitarbeiter oder auch manchmal als Seelentröster (ich kündige jetzt, ich fühl mich überfordert usw.), ich habe die Branche auf meine ganz eigene Art erleben können...
Hier mal ein kleines Müsterchen meiner Arbeit von anno dazumal: Ruft mich ein Kunde, ein Verleger in totaler Panik an, einer seiner Mitarbeiter hätte eine 640er MO, auf der sämtliche Kundeninserate drauf waren, versehentlich neu formatiert. Natürlich kam dieser Anruf wie üblich genau am Freitagnachmittag, wenn Angestellte sich langsam für das Wochenende bereitmachen. Mein Auftrag also: Die ungefähr 420 MB Illustrator-EPS Dateien von der frisch formatierten MO so schnell wie möglich retten, da diese unter allen Umständen benötigt würden...
Nun denn: Ich hab den Auftrag angenommen und auch gleich meinen Preis genannt... damals eine horrende Summe... und hab mich an die Sache rangemacht: Als Insider in Sachen Betriebsablauf dieses Verlages wusste ich, dass sämtliche alten Ausgaben des Magazines, in dem die verlorenen Inserate fertig gelayoutet in Pagemaker 3 im Archiv auf Syquest 44 Platten noch vorhanden waren. Also, sämtliche Platten geschnappt, das Laufwerk dazu (hatte selber ja keines) und ab nach Hause. Dort als erstes mal eines der Pagemaker-Layouts geöffnet und all die darin verstreuten Inserate bewundert. Danach das gesamte Layout als EPS wieder abgespeichert, mit dem Wissen, dass Pagemaker aus Prinzip alle EPS Dateien fest einbindet und nicht bloss verlinkt wie z.B. die TIFF Bilder. Das gespeicherte EPS-File danach in Microsoft Wort aufgemacht und mit Freude festgestellt, dass wirklich sämtliche EPS-Illustrator-Dateien als Gesamtes darin vorkommen. Die Textseiten schnell wieder als ASCII gespeichert und meinen damals noch betriebsbereiten Apple II aufgestartet. Dann ein kleines Basic-Routinchen nach folgendem Strickmuster erstellt: Lösche aus einem ASCII-File Zeile für Zeile, bis du zum Wort "Adobe Illustrator Postscript 3.2" triffst. Von hier aus speichere alles auf Platte unter dem Namen, den du in der zweiten Zeile innerhalb Illustrator EPS findest, solangebis du zum Wort "EOF" triffst. Dann go to Anfang des Routinchens und werkle tapfer weiter...
Irgendwann am späten Sonntagnachmittag war ich dann total fertig vom endlosen Abspeichern von Pagemakerdateien als EPS und der alte Apple II kochte immer noch gemächlich vor sich hin... bis so gegen elf Uhr abends. Danach sämtliche ASCII-Files noch mit Illustrator öffnen und neu abspeichern, damit Icon und Erstellungsprogramm wieder stimmen.
Am Montagmorgen pünktlich um neun Uhr kam dann mein grosser Auftritt im Verlag. Abliefern sämtlicher geretteten Inseratefiles, so nach dem Motto, -wo liegt denn das Problem?- Natürlich gab es Applaus und danach die Rechnung rübergereicht, der Rest des Monats war somit schon gearbeitet... Der Preis meiner Datenrettung hat es ermöglicht... Der Inhaber des Verlages hat gerne bezahlt, die Daten waren ihm so wichtig, dass er mir gerne einen ganzen Monatslohn für deren Rettung hinblätterte...
Ja, so war es damals, die Aufträge waren manchmal echt verrückt, die Bezahlung entsprechend auch. Ich hab es geliebt, solche, möglichst wilden Jobs zu erledigen, hier lag meine Stärke (und liegt heute noch, mal abgesehen davon, dass System X für mich bis heute noch ein spanisches Dorf ist...) Somit kann ich mich kaum mit Angestellten, die tagaus, tagein von acht bis fünf nur an Quark-Bildrahmen rumzerren nicht vergleichen, ich war (und bin es immer noch), der etwas verrückte Computerfreak, der auch mal auf etwas eigenwillige Art und ein wenig Nachdenken sein Geld verdient hat.
Darum bekomme ich langsam Angst... es wird alles immer komplizierter, immer aufwändiger und immer undurchschaubarer. Ich liebe meine Uraltsoftware eben auch daher, weil ich sie aus dem ff kenne und weiss, wo ich was zu suchen habe, wenn ich denn etwas suche. Beim Panther vergeht mir nun endgültig der Spass, dafür bin ich vermutlich doch schon ein paar Tage zu alt...
Herzlichst, Rudolf... das alte Fossil... unter System 9.1 *smile
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