2. Juli 2004, 02:11, Neue Zürcher Zeitung
http://www.nzz.ch/...ge-article9P689.html Steve Jobs lässt den «Tiger» los
Apple informiert über künftige Betriebssysteme
Anlässlich der World Wide Developer Conference demonstrierte Steve Jobs, CEO von Apple, die nächste Version des Macintosh-Betriebssystems. Es soll unter dem Namen «Tiger» in rund einem Jahr die Suche nach lokal gespeicherten Informationen erleichtern und mit besseren Multimedia-Fähigkeiten aufwarten können. Ob das reicht, um Firmenanwender wieder für Computer mit dem Apfel-Logo zu interessieren?
S. B. Eines der bestgehüteten Geheimnisse der Computerbranche ist, dass Apple leistungsfähige Server anzubieten hat. Die Firma, die neuerdings mit ihren kleinen, bunten MP3-Playern für Furore sorgt, verkauft auch grosse Rack-taugliche 64-Bit-Computer und Software, mit denen sich diese Rechner zu Supercomputer-Clustern vereinen lassen. Im Januar angekündigt, sind diese Produkte seit kurzem lieferbar. Wie man hört, gibt es Lieferschwierigkeiten, doch das dürfte nicht bedeuten, dass die Nachfrage sehr gross ist, sondern nur, dass sie grösser ist als geplant. Die Marktforschungsfirma Gartner beziffert den Marktanteil von Apple im Business-Segment mit 0,8 Prozent.
Sportwagen für Langstreckenläufer
Server? Apple? Für Server gibt es ja doch Hewlett-Packard, IBM und Sun. Warum sollte jemand über Apple-Server reden wollen? Und das auch noch gerade jetzt, wo doch Steve Jobs, CEO von Apple, neue Bildschirme mit Aluminiumgehäuse vorgestellt hat? Wo andere Firmenchefs so tun, als machten sie nur immer das, was die Kunden wollen, will Jobs die Kunden für seine Wünsche begeistern. Weil die Kunden nicht etwas wollen können, was es noch nicht gibt, sehen die neuen Produkte bei den meisten anderen Firmen so aus wie die alten. Jobs weiss, was er will, und als Chef eines Teams von fähigen Ingenieuren kann er auch wollen, was es noch nicht gibt. Jobs der Langstreckenläufer braucht fürs Training einen MP3-Player, also bringt Apple den iPod auf den Markt. Jobs der BMW-Fan möchte in seinem Z4 Musik ab iPod hören und die Wiedergabe am Steuerrad regeln können, also wird iDrive entwickelt, ein Einbaukit, dank dem der BMW-Fahrer zum Discjockey mutiert. Weil aber Jobs so wenig wie auch sonst irgendein Einzelanwender einen Server braucht, führen Server bei Apple ein Aschenputteldasein. Wenn Apple aber als Computerfirma längerfristig überleben will, wird sie sich auch um Firmenkunden bemühen müssen.
In einem viel beachteten Entscheid haben zu Beginn dieses Jahres einige grosse Schweizer Medienhäuser beschlossen, die Zahl der unterstützten Betriebssystemplattformen zu reduzieren und bei Neuanschaffungen nur noch Windows- und Linux-Systeme zu berücksichtigen. Der Entscheid wurde nicht mit technischen, sondern mit finanziellen Argumenten begründet. Wenn eine Familie aus Spargründen eines von zwei Autos verkaufen muss, wird sie nicht den Kombi weggeben und den BMW-Zweiplätzer behalten; wo sich nun aber jemand von seinem Z4 trennt, wird man daraus nicht schliessen dürfen, dass ein Subaru-Allradvehikel dem High-End-Sportwagen immer und überall überlegen sei.
Fahren auf der Autobahn
Jobs liebt es, seine Firma mit BMW zu vergleichen. Auf die bescheidenen Marktanteile angesprochen, pflegt er zu sagen, dass es ja doch normal sei, dass sich BMW-Luxusautos nicht so gut verkauften wie Massenware von VW. Ja, schon - aber: Wenn der Autokäufer mit der Wahl einer Automarke exklusiven Zugang nicht nur zu einem bestimmten Wagen, sondern auch zu einem bestimmten Strassennetz und einem Tankstellensystem erhielte, wenn es also ein VW-Golf- Strassennetz und VW-Golf-Tankstellen gäbe, die dann eben sehr viel weitläufiger und zahlreicher wären als die Z4-Strassen und die Z4-Zapfsäulen, dann würde wohl selbst Jobs auf seinen BMW verzichten.
Jobs braucht ein schnelles Auto, denn er hat zwei Büros: In Cupertino, südlich von San Francisco, führt er die Geschicke von Apple, in Emeryville, nordöstlich von San Francisco, leitet er die Filmfirma Pixar. Im Filmbusiness hat Jobs gelernt, dass die Zuschauer überrascht werden wollen. Seine öffentlichen Auftritte auch an Fachmessen und Entwicklerkonferenzen sind äusserst spannungsgeladen; nie ist im Voraus bekannt, was kommt, immer wieder gelingt es ihm, sein Publikum zu überraschen. Überraschungen sind nun allerdings das Letzte, was Firmenkunden sich wünschen. Sie möchten möglichst langfristig planen können und wollen von ihren Lieferanten wissen, was in zehn Jahren passiert. Jobs weigert sich, auch nur über die nächste Produktegeneration verbindliche Aussagen zu machen.
Die Schleier lüften sich
Wie überall in der Computerbranche steht auch bei Apple derzeit der Übergang ins 64-Bit-Zeitalter an. Bereits kommen in den neueren Computern der Firma - beispielsweise bei den Servern - 64-Bit-Prozessoren zum Einsatz; bald dürfte auch das Betriebssystem 64-Bit-Prozesse zumindest teilweise unterstützen. Apple scheint für diesen schwierigen Wechsel besser vorbereitet als andere Anbieter; Apple-Fans dürften den Übertritt in die 64-Bit-Welt ruhiger erleben als Windows-Anhänger. Trotzdem erachtet es Jobs nicht als notwendig, seine Kundschaft mit detaillierten Informationen auf diesen Übergang vorzubereiten und eine Road Map zu präsentieren.
Wenn sich Jobs häufig als eine Art Buzz Lightyear («Toy Story») der Computerbranche aufführt, so wird man ihm doch als Firmenlenker Intelligenz und Instinkt nicht absprechen können. Jedenfalls ist Apple zurzeit - vermutlich erstmals in der Geschichte - mit genau den richtigen Produkten am richtigen Ort. In den achtziger Jahren kam Apple oft zu früh, in den neunziger Jahren häufig zu spät. Betriebssystem-Software ist daran, zur Commodity, zum billigen Massenprodukt zu verkommen - als Hardware-Firma, die sich mit der Vermarktung von Software immer schwer tat, sind das für Apple gute Nachrichten. Open- Source-Software auf Unix-Basis begeistert Programmierer rund um die Welt - Mac-OS X, als Unix-Derivat, steht plötzlich wieder im Zentrum des Interesses. Die wichtigste Programmierschnittstelle ist nicht mehr das Windows-API, sondern das Web - Apple hat Rechner anzubieten, auf denen von Apache bis Zope alles vorhanden ist, was es für die Web-Programmierung braucht. Bald werden Firmen, die «Plattformentscheide» glauben treffen zu müssen, nicht mehr über Windows und Mac-OS reden, sondern über TCP/IP, XML, Soap, Java und andere Internet- Standards, die auch Mac-OS X selbstverständlich unterstützt.
Langsam beginnen sich die Schleier um die Apple-Server zu lüften. Nachdem im vergangenen Jahr das Virginia Polytechnic Institute bei Apple 1100 G5-Server bestellt hatte, um einen Supercomputer-Cluster aufzubauen, erhielt Apple vor wenigen Wochen einen Anruf des Aviation and Missile Research, Development and Engineering Center der amerikanischen Armee: «Schicken Sie uns bitte 1566 G5-Server . . . ja, das Zwei-Prozessor-Modell . . . nein, die Handbücher und die Abziehbildchen brauchen Sie nicht einzupacken.» Mit insgesamt 3132 Prozessoren soll der Mach 5 getaufte Supercomputer eine Spitzenleistung von über 25 Teraflop pro Sekunde liefern. Damit wäre diese Maschine, die im Herbst in Betrieb genommen werden soll, der zweitschnellste Computer der Welt.
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