Hallo,
ich versuche mal diesen argumentativen Ansatz:
Aktueller Stand im PostScript-Umfeld ist PostScript 3, welches von Adobe 1997 verabschiedet wurde. Seit dem wurde die PostScript-Seitenbeschreibungssprache keinem nennenswerten Update mehr unterworfen und es gibt genügend Stimmen die behaupten, dass dies auch nie mehr passieren wird. Fast alle heute anzutreffenden professionellen Ausgabesysteme sind PostScript-basierend. Es gibt immer noch deutlich mehr PostScript Level 1 und 2 Anwender als PostScript 3 Anwender.
PDF 1.3 wurde 1999 zusammen mit Acrobat 4 veröffentlicht und war die erste PDF-Version die leistungsmässig PostScript überflügelte. Von da an begannen sozusagen die Probleme der Prepress-Anwender. Wenn man auf Basis eines Datenformates produziert, welches letztendlich leistungsfähiger ist als das endgültige Ausgabeformat wird es brenzlig. Man muss anfangen zu tricksen und zu überlegen.
Mit PDF 1.4, welche 2001 zusammen mit Acrobat 5 vorgestellt wurde, wurde die "echte" Transparenz eingeführt, welche nun gänzlich inkompatibel zum Grafikmodell von PostScript ist, da PostScript auf einem opaken, überschreibenden Grafikmodell aufsetzt. D.h. das was zuletzt gerendert wird, also im Vordergrund liegt, überschreibt die Daten im Hintergrund die die selben Farbkanäle nutzen wie das zu malende Vordergrundobjektobjekt. Das ist hinsichtlich echter Transparenz natürlich ein Schuß ins Knie. Also mußte Adobe sich die Technologie des Flattenings, der Transparenzverflachung ausdenken. Inzwischen ist diese Technologie soweit ausgereift, dass die von "geübter Hand" und in Verbindung mit aktueller Adobe-technologie sicher eingesetzt werden kann. Dass nicht jeder diese Kriterien erfüllt und auch die Technologie immer noch ihre Grenzen hat sieht man an der Anzahl der Postings die direkt oder indirekt mit der Transparenzverflachung und deren Seiteneffekte zu tun haben.
Die Transparenz-Verflachung kann im Anwendungsprogramm (Adobe Illustrator, Adobe InDesign oder Adobe Acrobat) oder im RIP stattfinden. Dazu ist ein RIP mit Adobe CPSI 3015.10x Interpreter oder neuer erforderlich (bzw. ein PostScript-Clone der PDF 1.4 kompatibel ist). Die Anzahl der Anwender dieses RIP-Kernels kann man beinahe an den Fingern einer Hand abzählen. Es sollte auch klar sein, dass ein getagten Adobe Illustrator 9 die selbe Aufgabe wesentlich schlechter löst als ein aktuelles Adobe InDesign CS.
Aktueller Stand im PDF-Bereich ist heute PDF 1.5, welches 2003 zusammen mit Acrobat 6 eingeführt wurde. Hier kammen nun noch nette Dinge wie Ebenen (optional content) und JPEG2000 als Bildkomprimierungsformat hinzu. Problem ist auch hier wieder, dass PostScript, welches auf dem Stand von 1997 stehengeblieben ist (nur zur Sicherheit nochmals erwähnt), mit diesen beiden Konstrukten nichts anfangen kann. D.h. auch hier muss wieder eine Art Verflachung vor der Ausgabe stattfinden. Dies kann entweder wieder in einem PDF 1.5 kompatiblen Programm stattfinden (z.B. Adobe Acrobat 6) oder in einem PDF 1.5 kompatiblen RIP. Dieser muß dann mit einem gerade zur Drupa in den ersten RIP-Lösungen vorgestellten Adobe CPSI 3016.10x Interpreter ausgestattet sein. Wie viele Dienstleister diesen bereits ihr Eigen nennen kann man sich leicht ausrechnen.
Was will ich damit sagen? Nun, jedem PDF-Anwender muß klar sein, dass die Leistungsschere zwischen PostScript und PDF immer weiter auseinanderklafft und es immer schwieriger wird bei Ausnutzung dieser gesteigerten Leistungsfähigkeit des PDF-Datenformats problemlos und fehlerfrei zu produzieren. Es geht durchaus, aber man muss ganz genau wissen was man tut und sich stets den guten alten Spruch vor Ausgen halten "eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied". Das bedeutet, wenn Sie mit so modernen Datenformaten wie PDF 1.4 und PDF 1.5 arbeiten, muss jede Software, jeder Arbeitsschritt und jedes Ausgabegerät, welches mit diesen Daten in Berührung kommt fehler- und verlustfrei damit umgehen, da es sonst unweigerlich zu Problemen kommt.
Ein schönes Beispiel gefällig? Als QuarkXPress 6 Anwender können Sie problemlos PDF 1.4 einlesen. Leider sagt dem Anwender niemand, dass er dabei jegliche Transparenz verliert die im PDF 1.4 enthalten sein könnte. Das bedeutet, dass ohne Warnung aus durchsichtigen Objekten plötzlich deckende Objekte werden. Da kann Ihr RIP, welches Sie aus QuarkXPress 6 heruas ansteuern, noch so leistungsfähig und aktuell sein, das nützt gar nichts, denn der Verlust/Fehler ist bereits beim PDF-Import passiert.
Es gibt übrigens durchaus auch RIPs, welche klaglos ein PDF 1.4 verarbeiten aber eigentlich nur PDF 1.3 kompatibel sind und somit die potentiell enthaltene Transparenz ignorieren.
Es wurde bereits angesprochen, dass der ISO-Standard 15930-3 aka PDF/X-3:2002 aus den oben genannten Gründen (immerhin ist der einzige Sinn und Zweck dieser Norm einen sicheren Datenaustausch auf PDF-Basis zu grantieren) die PDF-Version auf maximal PDF 1.3 beschränkt, denn dann haben wir es mit einem Datenformat zu tun, welches zwar auch schon einen Tick leistungsfähiger ist als PostScript 3 aber diesen Tick bekommt man noch gut in den Griff. Alles was darüber geht ist schon nicht mehr unkritisch.
Übrigens stimmt das oben Gesagte nicht mehr ganz. Denn aktuell ist die ISO-Norm 15930-6 aka PDF/X-3:2003. Diese läßt zwar PDF 1.4 zu aber nichts von dem was PDF 1.4 gegenüber PDF 1.3 mehr leisten könnte. Also keine Transparenz und keine JBIG2-Komprimierung.
Resümee: Sie können selbstverständlich PDF 1.4 und PDF 1.5 in der Druckvorstufenproduktion einsetzen. Aber Sie müssen sich auch darüber im Klaren sein, dass zumindest kurz vor oder während der Ausgabe auf PostScript-Ebene eine Rückwandlung in etwas PostScript-kompatibles geschehen muss. Wenn Sie sicher sind, dass diese Rückwandlung narrensicher und fehlerfrei ist, dann ist das ok. Wenn nicht, dann ist es zugünsten der Produktionssicherheit halt vielleicht doch sinnvoller diese gesteigerte Leistungsfähigkeit (noch) nicht zu nutzen bis der technologische Standard im Software- und Ausgabegerätebreich wieder nachgezogen hat. Das dauert erfahrungsgemäß aber immer einige Jahre bis es soweit ist.
Mit freundlichen Grüßen
Robert Zacherl
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